"Der Zusammenhalt war gigantisch"

Abenteuer Asien: Die Endinger Stadtmusik war bei ihrer "Vulcano-Tour" zehn Tage lang auf Konzertreise in Japan unterwegs

ENDINGEN. Die Vulcano-Tour der Stadtmusik ist vorbei. Am Dienstagabend sind die 70 Japan-Reisenden wieder in Endingen angekommen. Müde, aber zufrieden. Zehn Tage lang hatten die Musiker die Pazifik-Insel erkundet, mit Stäbchen gegessen und vor allem gemeinsam mit Japanern musiziert. Fazit: Tolle Reise, schöne Konzerte, Orchester zusammengewachsen.

Die Dramaturgie der Reise, sagt Dirigent Martin Baumgartner, sei perfekt gewesen: Zuerst drei kleinere Schulkonzerte, später der gemeinsame Auftritt mit dem Toshiba-Werksorchester in Fuchu vor 1500 Zuschauern. Zum Abschluss dann Tokio-Sightseeing. "Zum Ende hin", sagt Baumgartner, "wurde das Programm immer lockerer."

Was nicht bedeutet, dass die Vulcano-Tour nicht anstrengend gewesen wäre. Sie war es. Schlafentzug, Probenstress, Lampenfieber, Jetlag – Entspannung sieht anders aus. Vor allem für die Organisatoren der Reise, das deutsch-japanische Musiker-Ehepaar Thomas Wagner und Izumi Shibata-Wagner. "Ich habe die Konzerte richtig genossen", sagt der Tuba-Spieler, "das waren nämlich die Momente, wo es mal nicht so hektisch war und es nichts zu organisieren gab."

Sinfonische Blasmusik und Fasnetslieder

Highlight der Reise war vor allem das Konzert mit dem Toshiba-Werksorchester. Mit 1500 Zuschauern in der Fuchu Dream Hall erreichten die Japaner einen neuen Besucherrekord, bei einem feuchtfröhlichen Empfang im Anschluss zeigten die Endinger, dass sie nicht nur sinfonische Blasmusik im Repertoire haben, sondern auch Fasnetslieder.

Daneben gab es jede Menge kleinerer Höhepunkte. Die Schulkonzerte zum Beispiel. Mal in Chigasaki, mal in Tokio. In den Räumlichkeiten der elitären christlichen Joshi-Sei-Gakuin-Mädchenschule konnten die Musiker hautnah erleben (und vor allem hören), was Globalisierung bedeutet: Dort steht eine Orgel des Endinger Traditionsunternehmens Fischer und Krämer.

In Erinnerung bleiben werden aber auch andere Erlebnisse: Der Besuch in der Tempelstadt Kamakura. Die Skyline von Tokio. Shinjuku, der vielleicht größte Bahnhof der Welt. Das Mittagessen mit japanischen Grundschülern in Chigasaki zum Beispiel – vor lauter neugierigen Fragen kamen viele Musiker kaum zum Essen. Und, nicht zuletzt, das Wiedersehen mit den japanische Akteuren des Open-Air-Konzertes 2006 in Endingen. In Tokio, in einem Restaurant im 51. Stock eines Hochhauses. Der Besuch japanischer Musiker vor zwei Jahren in Endingen war Initialzündung für die Japan-Reise der Stadtmusik gewesen – Wünsche nach einem Gegenbesuch waren danach immer lauter geäußert worden.

Der erschien zuerst utopisch: Zu teuer, zu aufwendig. Dann rechneten die Endinger alles noch einmal durch. Sie suchten und fanden Förderer und Sponsoren – das Goethe-Institut zum Beispiel, aber auch den Endinger Unternehmer WinfriedWirth. Und ließen sich schließlich auf das Abenteuer Japan ein. "Der Zusammenhalt war gigantisch", sagt Simone Löffler, die Vorsitzende der Stadtmusik. "Alle haben mitgemacht." Bürgermeister Hans-Joachim Schwarz als Chef der Endinger Delegation verlieh der Konzertreise offizielles Gewicht – das öffnete Türen. Nicht nur in Rathäusern und Schulen, sondern auch bei Toshiba.

Trotzdem: Ohne den Einsatz von Thomas Wagner und Izumi Shibata-Wagner wäre die Reise nicht zu denken gewesen. Die haben schon im Vorfeld stundenlang telefoniert und E-Mails geschrieben. Auch Izumis Familie war tagelang im Einsatz – sie organisierte beispielsweise mit Müttern von Grundschulkindern aus Chigasaki ein abwechslungsreiches Besichtigungsprogramm. "Ohne Thomas und Izumi", sagt Löffler, "hätten wir die Reise nie machen können."

Die beiden waren am Ende ziemlich überrascht. "Viele haben gesagt: Mit 70 Leuten nach Japan – ob das wohl funktioniert?" Es funktionierte. Hatte manchmal aber auch etwas mit dem Hüten des sprichwörtlichen Sacks voller Flöhe zu tun. "Es ist manchmal schon schwer, 70 Leute immer dran zu erinnern, dass sie in der Jugendherberge im Zimmer die Schuhe ausziehen und um 21 Uhr zu Hause sein sollen", sagt Izumi Shibata-Wagner. "Das Ermahnen und Kontrollieren", sagt Stadtmusik-Chefin Löffler, "war schon so eine Sache. Ich bin sicher auch das eine oder andere Mal verflucht worden."

Offene Münder in Tokio

Dennoch: In Erinnerung werden vor allem die schönen Momente bleiben. "Das Toshiba-Konzert, ganz klar", sagt Dirigent Baumgartner. "Die offenen Münder, als wir nach Tokio reingefahren sind", sagt Thomas Wagner. "Als wir in Tokio unter Tausenden von Menschen immer wieder Endinger Musiker im blauen T-Shirt getroffen haben", erzählt Simone Löffler.

"Von den Erlebnissen in Japan", sagt Bürgermeister Schwarz, "kann man noch jahrelang zehren." Die letzte Konzertreise der Endinger Stadtmusik ist einige Jahre her: Im Jahr 1982 waren die Kaiserstühler nach Südamerika aufgebrochen, in die Colonia Tovar. "Die Venezuela-Veteranen", sagt Schwarz, "reden heute noch davon." Spätestens im Jahr 2010 wird das Thema Japan sowieso wieder hochkochen: Dann kommt, möglicherweise, das Toshiba-Werksorchester Fuchu zum Gegenbesuch. Die Japaner haben schon Interesse signalisiert.

2008 05 23 Der Zusammenhalt war gigantisch 2

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Artikel von Patrik Müller aus der Badischen Zeitung vom 23. Mai 2008

 

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