Stadtmusik sprengt Dimensionen

Große Begeisterung beim Jahreskonzert in der vollbesetzten Stadthalle / Überraschungsständchen für den Bürgermeister.

ENDINGEN. Den Rahmen sprengte im wahrsten Sinn des Wortes das Hauptorchester der Stadtmusik, deren 85 Musiker auf den vorhandenen Podesten keinen Platz mehr fanden, beim Jahreskonzert am Samstag in der Stadthalle. Man habe schon neue Podestplatten angeschafft, verriet der Bürgermeister und Präsident der Stadtmusik, Hans-Joachim Schwarz in seiner Begrüßungsrede und fügte schmunzelnd hinzu, dass das "florierende Unternehmen" sicherlich längst heimlich einen Konzertsaal plane.

Aber nicht nur in der Anzahl überzeugte die Stadtmusik ihre Zuhörer in der voll besetzten Stadthalle. Das Jugendorchester eröffnete unter der Leitung von Stadtmusikdirektor Martin Baumgartner eindrucksvoll das Programm mit "Drei georgische Fabeln" von Robert Sheldon. In "Der Reiher und der Kolibri" stritten sich die Vögel mit bekanntem Ausgang darum, wer die meisten Fische fangen darf. Musikalisch nachvollziehbar umgesetzt wurde der schwungvolle Wettstreit durch die konterkarierenden Blech- und Holzbläser. Langsam und bedächtig leerten "Die Krähen im Mais" den Kornspeicher. Mit "Ein Kaninchen fällt in den Brunnen", das heiter beschwingt begann, dann an Dramatik zunahm und rasant endete, erzählten die Jungmusiker anschaulich, wie ein Hase den Fuchs überlistet, ihn aus dem Brunnen zu retten.

Dass die georgischen Fabeln weniger im Osten als vielmehr in den USA anzusiedeln sind, wie die mit Witz und Hintergrundinformation aufwartenden Moderatoren Siegfried Thoma und Thomas Wagner erläuterten, tat der Sache keinen Abbruch.

Wirklich russisch wurde es dann mit Andrew Pearce‘ "Russischen Volkstänzen". Bekannte Melodien wie das schmissige "Kalinka" oder das lebhaft mitreißende "Meine kleinen Zigeuner" überzeugten ebenso wie das eher zurückgenommene "Krazny Sarafan". Der langanhaltende Applaus forderte eine Zugabe.

Das Hauptorchester stellte gleich zu Beginn unter der Leitung von Martin Baumgartner mit der Ouvertüre von Mikhail I. Glinkas "Ruslan & Ludmilla" nach einem Versepos von Puschkin sein hohes Leistungsniveau unter Beweis. Leichte, perlende Melodien wechselten mit beeindruckender Klangfülle ab. Es folgte das zentrale Werk des Konzerts: "Gagarin" von Nigel Clarke. Der Aufbruch ("Weg zu den Sternen") des waghalsigen Unternehmens, erstmals einen Menschen ins All zu befördern, das majestätische Ankommen auf der "Umlaufbahn" und die triumphale "Heimkehr" wurde zu einem Hörgenuss der Extraklasse. Machtvoll drängend vermochte der Zuhörer zu Beginn die Angst vor dem Verglühen beim Start erleben, ehe mit sphärisch sanfteren Klängen in die Erdumlaufbahn eingelenkt wurde. Triumphal klang die russische Hymne bei der Landung auf der Erde an.

Auf Umwegen fand die Partitur der "Ukrainischen Rhapsodie" von Friedrich Deisenroth den Weg in Martin Baumgartners Hände, der das Werk arrangierte. Beeindruckende Soli, überraschende Wendungen sowie zarte Melodien, die mächtig anschwollen, beschrieben "Das Land" und "Das Fest". Es war sicherlich der Teil des Konzerts, der die Zuhörer am meisten forderte. Mit Aram Khachaturians "Adagio" von "Spartakus & Phyrigia" zeigte das Orchester erneut seine ungeheure Klangfülle, bevor Dmitri Schostakowitschs "Moskau Tscherjomuschki" einen akzentuierten Schlusspunkt setzte. Rasant begann "Eine Spritztour durch Moskau", gefolgt von der schwungvollen "Polka" und mit dem im wilden Galopp mündenden "Lidotsjka und Boris" endete der grandiose Konzertabend.

Tosender Applaus und Bravorufe belohnten die Musiker. Im Zugaben-Teil gab es dann noch eine Überraschung: Die Stadtmusik spielte ihrem Präsidenten Hans-Joachim Schwarz ein "russisches Geburtstagsständchen" und ließ Schostakowitschs "Bürgermeister-Polka" folgen.

Artikel von Christane Franz aus der Badischen Zeitung vom 26. März 2013

 

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