Japan zwischen Not und Hoffnung

Eine Woche lang war Izumi Shibata-Wagner in der Region Myagi und Fukushima unterwegs und verteilte 16 000 Euro aus der Japanhilfe-Aktion der Stadtmusik Endingen. Sie brachte vielfältige Eindrücke und Erfahrungen mit.

ENDINGEN. Eine Woche lang war Izumi Shibata-Wagner in der Region Myagi und Fukushima unterwegs (Fotos). Was sie gesehen hat, beschäftigt sie immer noch. Die Stadtmusik hatte für Japan gesammelt, Izumi Shibata-Wagner verteilte auf ihrer Japanreise knapp 16 000 Euro an Spendengeldern. Inzwischen gehen bei ihr zuhause die Dankschreiben der Empfänger ein. Die Spendenaktion geht weiter. "Es wird viel gebraucht", so ihre Erkenntnis aus der Reise.

In der Runde mit Thomas Wagner, Simone Löffler, Vorsitzende der Stadtmusik Endingen, und Marco Ambs, Speditionskaufmann mit Japanerfahrung, erzählt Izumi Shibata-Wagner der BZ von ihren Eindrücken. Das Reisen in Japan geht nach dem schweren Erdbeben und dem Tsunami nur langsam: "Die Autobahn ist nicht mehr gerade." Von Tokio bis hinauf nach Sendai ist auf einer Seite der Autobahn alles kaputt, auf der anderen Seite stehen die Häuser noch. Irgendwann gewöhne man sich an den Anblick, sagt sie.

Anders ist es mit Bildern aus dem Alltagsleben. Mitten durch die Trümmer laufen Schüler in ihrer adretten Schuluniform zur Schule. "Das fand ich krass", schildert sie dieses Bild. Und es ist schwer, wenn man vor den Trümmern einer anderen Schule hört, dass von 174 Schülern 74 von der Welle fortgerissen wurden. 4000 Menschen werden noch allein in dieser Region vermisst. Wenn hier ein Rotkreuzauto unterwegs ist, dann bedeutet das gegenwärtig nicht Hilfe zum Leben: Das Rote Kreuz und das Militär bergen gemeinsam Leichen.

"Die Toten haben es gut, weil sie keine Sorgen mehr haben." Diesen Satz hörte Izumi Shibata-Wagner in den Auffanglagern öfter. Das Zusammenleben auf engstem Raum bringt Probleme mit sich. "Es ist eine komplizierte Sache zwischen den Menschen: Der eine hat noch was, der andere nichts mehr." Jeden Tag gibt es ein Essen in den Lagern, mehr ist nicht drin. Läden gibt es in der Nähe nicht.

In den ersten Berichten nach dem Erdbeben konnte man sehen, dass es in Japan bitterkalt war. Inzwischen ist es heiß geworden. 36 Grad gibt es am Tag, in den Turnhallen hat das die Lage nicht gebessert. Das Versprechen der Regierung, bis Mitte September Containerwohnungen aufzustellen, wird wohl nicht gehalten werden können. "Es ist noch so viel aufzuräumen, das dauert noch Monate", schätzt Izumi Shibata-Wagner.

Mit der Informationspolitik sind die Menschen nicht zufrieden, stellte sie fest. In manchen Lagern gibt es die große Tageszeitung und eingeschränkten Internetzugang, doch beide Medien bestätigen die Betroffenen in ihrer Ansicht, dass die Behörden mit der Aufräumarbeit nur sehr langsam vorankommen und in der Nähe zu Fukushima viele Nachrichten gar nicht erst weitergegeben werden.

Izumi Shibata-Wagner lernte aber auch eine andere Seite kennen. Es gibt auch fröhliche Stimmungen im Lager. "Die Menschen wollen vorwärtskommen oder sie tun zumindest so", sagt sie. Ihr Besuch in den Lagern wurde immer mit Freude aufgenommen. Die Menschen trugen den Spendern in Deutschland Grüße auf und freuten sich über die Unterstützung, auch wenn es in manchen Fällen nur eine moralische sein konnte.

Die Hilfe von außen, in diesem Fall 16 000 Euro, gesammelt von der Stadtmusik, wurde mit Hilfe der Netzwerke vor Ort verteilt. In der Familie von Izumi Shibata gibt es einige Pfarrer, ihre Verwandtschaft verfügt über viele soziale Kontakte und startete Hilfsprojekte auf eigene Faust. Dazu zählt das Glassfish Heart Projekt eines Cousins, der von Anfang an Lebensmittel transportierte. Die erste Lebensmittelspende der Stadtmusik kam dank dieser Kontakte zu den Menschen: Marco Ambs, der nach dem Reaktorunfall nach fünf Jahren in Japan von seiner Speditionsfirma heimgeholt wurde, erledigte die Hürden auf deutscher Seite. Die Sendung ging direkt an einen Pfarrer, der sie dann seinerseits verteilte.

Izumi Shibata-Wagner brachte bei ihrem Besuch die Geldspenden der Stadtmusik mit: Je 2589 Euro, das sind 300 000 Yen, gingen an den Blasmusikverband, ans Glassfish Heart Projekt, an das Altenheim Kings Garden und den Kindergarten in Ibaraki. Rund 1000 Euro gingen an die Grundschule Shizukawa, 1700 Euro an die Stadt Minami-Sanriku, rund 1500 an den Pfarrer. Dazu kamen Ausgaben und Spenden für Benzin. Ganz spontan floss Geld auch in ein ganz praktisches Hilfsmittel: Izumi Shibata-Wagner kaufte für 138 Euro Fliegenklatschen, die in den Lagern hochwillkommen waren.

Der Besuch und die Hilfe der Endinger Stadtmusik brachte die Besucherin sogar in die größte japanische Tageszeitung. Dort interessierte man sich vor allem dafür, wie eine Stadt wie Endingen die Hilfe organisiert. Diese Hilfe, sagt Simone Löffler von der Stadtmusik, sei jetzt einfacher geworden: "Izumi hat ja jetzt die Kontakte." Alle zwei bis drei Tage werden Emails getauscht. "Wir werden immer wieder etwas starten, wenn eine Anfrage kommt", sagt Löffler. Zur Zeit sind vor allem Kleidungsstücke gefragt, und zwar luftige in großen Größen, für Frauen und Männer.

Für Izumi Shibata-Wagner geht die Arbeit weiter: Viele Briefe der Empfänger von Spenden sind inzwischen bei ihr gelandet. Sie übersetzt sie jetzt: "Das mache ich gern", sagt sie. Sie setzt damit den Auftrag der Stadtmusik fort. "Ich war dort, um dann hier zu berichten", sagt sie.

Artikel von Ilona Hüge aus der Badischen Zeitung vom 29. Juli 2011

 

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