Blasmusik auf sehr hohem Niveau

Stadtmusik Endingen begeistert beim Jahreskonzert unter dem Motto "Sternzeiten" mit anspruchsvollem Programm.

ENDINGEN. Schwer, schwerer, Sternzeiten: Das Jahreskonzert der Stadtmusik zum Thema Weltall war nicht unbedingt leichte Kost. Vor allem in der ersten Hälfte des Programmes hatten die 80 Musiker und knapp 800 Zuschauer jede Menge zum Knabbern, dank zwei vertrackten Sinfonik-Krachern mit jeder Menge Tempo- und Taktwechseln. Das Niveau war hoch, der Mitklatsch-Faktor gering – trotzdem erntete die Truppe um Stadtmusikdirektor Martin Baumgartner jede Menge Applaus.

Deko? Fehlanzeige. Die Endinger verzichteten auf funkelnde Sterne am Hallendach, auf schwarze Stoffbahnen an der Wand, auf Plastikraumschiffe und Planetenmodelle. "Wir wollten alles ganz schlicht haben", sagt Stadtmusik-Chefin Simone Löffler, "außerdem haben wir nichts zum Thema gefunden, oder es war wahnsinnig teuer." Im letzten Jahr, beim Motto-Konzert zum Thema Afrika, hatten die Endinger die Bühne mit Palmen und Papp-Papageien noch in einen Miniatur-Dschungel verwandelt.

In diesem Jahr legten sie alle Konzentration auf die Musik. Mit einer Ausnahme: Die Musiker verdonnerten ihren Präsidenten und Bürgermeister Hans-Joachim Schwarz in der ersten Reihe, einen Stoff-Mond in die Höhe zu halten. Das war es dann aber auch schon. Alle anderen Effekte erzeugten die Endinger mit ihren Instrumenten. Am eindrücklichsten geschah das beim ersten Stück des Hauptorchesters: Das Werk "Sidus" von Thomas Doss behandelt nichts geringeres als eine Reise ins unendliche All – mit jeder Menge Dramatik, schönen Melodien und dicht bedrucktem Notenpapier mit vielen Achteln, Sechzehnteln und Üblerem.

Nach fünfzehn Minuten konnten die Musiker aufatmen: Das Schwerste war geschafft. Wobei auch Gustav Holst nicht unbedingt leichte Kost ist: Der englische Komponist vertonte während des Ersten Weltkrieges alle damals bekannten Planeten. Das Stück "Jupiter" dürfte das Bekannteste aus diesem Zyklus sein und erinnert mit seinem quirligen Sound zuerst an einen Jahrmarkt, um später immer pompöser und staatstragender zu werden. Das ist konsequent: Der größte Planet des Sonnensystems ist immerhin nach dem römischen Göttervater benannt – und der ist nicht nur Überbringer der Fröhlichkeit, wie Holst sein Werk betitelte, sondern auch der Boss.

Nach der Pause wurde das Programm eingängiger. Ihrem Motto blieb die Stadtkapelle treu: Carl Orffs Stück "Der Mond" erzählt die Geschichte von vier Burschen, die den Mond stehlen – eine verspieltes Komposition mit viel Humor. John Williams’ "Adventures on earth" wiederum gehört zur Filmmusik von Steven Spielbergs Kassenschlager "E.T. – Der Außerirdische" und beeindruckt durch seine Kleinteiligkeit: Es ist mal schnell und laut, dann wieder leise und langsam, je nachdem, was gerade passiert bei der spannenden Verfolgungsjagd am Schluss des oscargekrönten Streifens.

Dann ging es weiter mit dem schmissigsten und groovigsten Stück des Abends: Einer Blasmusik-Variante des Deep-Purple-Songs "Space Truckin'". In dem geht es um einen interplanetarischen Fernfahrer, das Arrangement haben Endingens Dirigent Martin Baumgartner und Posaunist Thomas Wagner selbst geschrieben – und landeten damit den inoffiziellen Hit des Jahreskonzertes.

Als Zugabe Nummer eins immerhin konnte Ansager Siegfried Thoma ein Stück für Traditionalisten ansagen: Ernst Urbachs Marsch "Per Aspera Ad Astra" – was so viel bedeutet wie "auf rauen Wegen zu den Sternen". Auch die Jugendkapelle hatte sich in ihrem offiziellen Programm am himmlisch-überirdischen Motto orientiert: Der Nachwuchs eröffnete den Abend mit Michael Markowskis "Shadow Rituals" und Tetsunosuke Kushidas "Clouds In Collage".

Die Stadtmusik hat nicht erst seit ihrer Japan-Reise im Jahr 2008 ein Faible für die Pazifikinsel. Bereits wenige Tage nach der Naturkatastrophe in Asien gingen die Musiker unter die Spendensammler. Bis heute kamen rund 17 000 Euro zusammen. Die Kapelle setzte ihren Freunden zum Abschluss aber auch ein musikalisches Denkmal: Der Abend klang aus mit dem Stück "The Sun Will Rise Again" von Philip Sparke. Das Werk vermittelt nicht nur eine melancholische Stimmung, sondern auch Hoffnung – nicht nur deshalb, weil die Tantiemen des Komponisten und die Einnahmen des Musikverlages ans japanische Rote Kreuz gehen.

Artikel von Patrik Müller aus der Badischen Zeitung vom 19. April 2011

 

Lädt...
Lädt...